Aus der Sicht einer Filmemacherin
Raghda Elmaghraby über Freund*innenschaft, Ängste und Zusammenhalt
Wir sitzen zusammen im Wohnzimmer auf der Couch und lachen. Raghda ist eigentlich eine Freundin von mir. Aber in diesem Moment ist sie eine Fotografin und Filmemacherin, die ich interviewe. Ihre Leidenschaft sind Dokumentationen, in denen sie am liebsten Archivmaterial nutzt. Ich liebe ihre Arbeit. Einmal sah ich eine Dokumentation von ihr, die sie in Kairo drehte. Ich hatte das Gefühl, dass ich selbst dort wäre; ich saß im Taxi in Downtown, schaute nach draußen, beobachte den chaotischen Verkehr, hörte das laute Hupen der Autos und das Rufen der Fußgänger*innen.
Seit Oktober 2023 studiert Raghda Montage an der Filmuniversität Babelsberg – eine der bekanntesten Universitäten für Film in Deutschland. Im Interview sprechen wir über ihre Arbeit, ihre Ängste und über Zusammenhalt.
Was ist deine Lieblings-Dokumentation, an der du bisher gearbeitet hast? In Kairo habe ich an einer Dokumentation über die Beziehung meiner Mutter mit meinem Vater gearbeitet. Es geht darum, wie sie sich kennengelernt haben, warum meine Mutter in dieser Beziehung war und um die Umstände, die auf sie einwirkten. Gleichzeitig bringe ich meine eigene Sichtweise auf Beziehungen ein, da ich die Person bin, die ihr Fragen stellt. Es geht also auch darum, wie sich Beziehungen über die Zeit verändern. Leider konnte ich den Film nicht beenden, da ich nun in Deutschland lebe und sie weiterhin in Kairo. Ich hoffe, dass ich irgendwann dazu komme, ihn abzuschließen.
Was fasziniert dich so an Beziehungen? Sie gehören zum Menschen dazu. Wir brauchen Beziehungen. Wir brauchen Freund*innen und Menschen, die um uns herum sind, auch wenn wir sie nicht gut kennen. Ich finde es spannend, wie Menschen miteinander kommunizieren, wie sie handeln und reagieren und das alles in einem Film zu dokumentieren.
Warum hast du dich auf Dokumentationen spezialisiert? Für mich sind Dokumentationen sehr intim. Sie sind so real. Ich finde echte Geschichten viel intensiver als Fiktionen. Sie transportieren so viele Gefühle und Emotionen. Wenn mich die Geschichte packt und ich mich mit ihr verbunden fühle, kann ich sie aus vollem Herzen erzählen.
Was ist dein Lieblings-Film? Einer meiner Lieblings-Filme ist “Salut les Cubains” aus dem Jahr 1963 – eine Dokumentation über die kubanische Revolution. Die Montage des Films ist einzigartig: Die Regisseurin Agnès Varda hat den Film aus über 1500 Fotos erstellt. Ein anderer Film, den ich sehr mag, ist “I travel because I have to” von Kairm Aïnouz und Marcelo Gomes. Er thematisiert Beziehungen und Einsamkeit. Das Filmmaterial zeichnet wahre Momente auf, das Skript ist jedoch ausgedacht.
Was findest du schwierig an deinem Job? Auch im Vergleich zu Deutschland und Ägypten? Ich habe bisher noch nicht in der Filmbranche in Deutschland gearbeitet. Deshalb ist es für mich schwierig, Vergleiche zu ziehen. Mein erster Eindruck ist aber, dass es auch hier wichtig ist, Kontakte zu haben und ein Teil einer Community zu sein. Wenn man keine Personen in der Filmbranche kennt, ist es viel schwieriger, Arbeit zu finden. In Kairo habe ich ein Studio mit Redakteur*innen und Filmemacher*innen geteilt. Dadurch war es leichter, mit ihnen zusammenzuarbeiten.
Was beschäftigt dich momentan? Ich lebe erst seit kurzem in Deutschland und habe mich noch nicht an den Lebensstil gewöhnt. Dazu kommt, dass ich sehr viel zu tun habe: Ich muss mich um viel Papierkram kümmern, einen Nebenjob finden, mich auf mein Studium konzentrieren, das sehr fordernd ist, und so weiter. Es ist eine große Umstellung.
Was hilft dir in solchen Situationen, wenn es dir nicht gut geht? Wenn mich etwas belastet, fühlt es sich so an, als ob meine Gedanken in meinem Kopf Squash spielen. In diesen Fällen hilft es mir, meine Gedanken aufzuschreiben und mit anderen über meine Sorgen zu sprechen. Dadurch werde ich ruhiger und kann einfacher nach einer Lösung suchen.
Auf meinem Blog beschäftige ich mich mit der Frage, was wir in schwierigen Situationen tun und wie wir uns gegenseitig unterstützen können. Was denkst du? Wie können wir die Welt gerechter machen? Ich denke nicht, dass es besser wird. Ich habe aufgehört zu glauben, dass wir die Welt verändern können. Ich denke aber, dass wir uns auf kleine Taten konzentrieren können, wie jemanden zu Hause willkommen heißen, sich Zeit für eine Person nehmen oder sich um die Umwelt kümmern. Aufmerksamkeit anderen zu schenken und auf ihre Bedürfnisse zu achten, macht einen großen Unterschied.
Danke Raghda für das tolle Interview!
Mehr von Raghda seht ihr auf ihrem Instagram Account, auf vimeo und behance.
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