Hast du dich schon mal mit deiner Perspektive auf die Welt auseinandergesetzt? Gerade schreibe ich für das Online Magazin poco.lit. ein Essay zur Frage „Wie Kolonialismus bis heute unser Denken prägt“. Dazu beschäftige ich mich intensiv mit (weißen) Perspektiven.
Diversität ist in unserer Gesellschaft negativ konnotiert, obwohl sie so bereichernd sein kann.
In Deutschland dominiert die Ansicht, dass Menschen mit internationaler Geschichte nicht „deutsch“ seien. Das zeigt sich beispielsweise in der Berichterstattung, wenn bei einem Vorfall plötzlich der „Migrationshintergrund“ einer Person erwähnt wird, obwohl diese Information für die Nachricht nicht relevant ist. Oder wenn ein Mensch in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und trotzdem keinen deutschen Pass besitzt, weil seine Eltern nicht hier geboren sind. Diversität ist in unserer Gesellschaft negativ konnotiert, obwohl sie so bereichernd sein kann. Ich bin mit vielen Vorurteilen gegen arabische Länder und dem Islam aufgewachsen. Durch meinen Freund, seiner Familie und das Reisen nach Ägypten habe ich erfahren, wie vielfältig arabische Länder sind und wie einseitig über sie in Deutschland berichtet und gesprochen wird. Seitdem ich Arabisch lerne, ist für mich Französisch übrigens nicht mehr die „Sprache der Liebe“.
Rechte Gewalt in Deutschland
Rassismus ist Teil rechter Ideologien. Marginalisierte Personen wie Muslim*innen und Jüd*innen erleben zunehmend Gewalt in Deutschland. Die Situation ist furchterregend, aber nicht neu. Schon seit Jahren warnen Expert*innen wie Professor Aladin El-Mafaalani vor einem Rechtsruck.
Die Amadeu Antonio Stiftung hat vor ein paar Tagen auf eine Google Maps-Karte hingewiesen, die von Rechtsextremen erstellt wurde. Auf der Karte werden Adressen von Flüchtlingsunterkünften deutschlandweit gesammelt – wie ihr die Karte melden könnt, erfahrt ihr in diesem Beitrag:
Jeden Tag werden in Deutschland Schutzsuchende angegriffen.
Die Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen, dass die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte deutlich zugenommen haben. Sie verzeichnen zudem, dass jeden Tag in Deutschland Schutzsuchende angegriffen werden. Die Taten sind vor allem rechts motiviert.
Je mehr wir uns hinterfragen und rassismuskritisch leben, desto weniger haben Rechte Chancen, ihre menschenfeindlichen Ideologien zu verbreiten. Gerade weiße Menschen, die von rassistischen Strukturen profitieren, sollten sich mit Perspektiven marginalisierter Personen beschäftigen und sich für sie einsetzen.
Je mehr wir uns hinterfragen und rassismuskritisch leben, desto weniger haben Rechte Chancen, ihre menschenfeindlichen Ideologien zu verbreiten.
Die eigene Perspektive weiten
Auch die Perspektive auf das Weltgeschehen, die uns in Deutschland nahegelegt wird, ist sehr eingeschränkt. Vielleicht habt ihr schon von dem Begriff Eurozentrismus gehört? Eurozentrismus beschreibt die Betrachtungsweise auf das Weltgeschehen, in der Europa und die „westliche Welt“ im Mittelpunkt stehen und den Maßstab vorgeben. Die deutsche Journalistin Charlotte Wiedemann, die viele Länder bereist hat und als Auslandsreporterin unterwegs war, schreibt dazu:
„Es liegt […] in der Natur des Menschen, dass wir uns dessen erst einmal nicht bewusst sind. Denn unsere eigenen Kulturstandards, das heißt die Weise von Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln, die wir als selbstverständlich und verbindlich ansehen, wird von uns selbst eben nicht mehr bewusst erfahren. Anders als etwa die australischen Aborigines haben wir allerdings die Macht, die Mittel und den Ehrgeiz, unsere Perspektive, unsere Theorien und Forschungsmethoden in die ganze Welt zu exportieren – und sie als universell gültig misszuverstehen.“
Das Verständnis, dass jeder Mensch seine eigene Perspektive auf das Leben hat und es nicht die richtige Lebensweise gibt, ermöglicht uns einen respektvollen und friedlichen Umgang miteinander. Deshalb habe ich im Rahmen meines Blog-Formats „Was kann ich tun“ Möglichkeiten gesammelt, wie wir unsere Perspektive weiten können:
Eigene Perspektive hinterfragen; bewusst werden, dass sie nicht allgemein gültig ist
Menschen zuhören und versuchen, ihre Perspektive zu verstehen (z.B. Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind)
An Postkoloniale Stadtrundgänge teilnehmen
Menschen mit Respekt begegnen
Sich mit White Supremacy, Eurozentrismus & Postkolonialismus auseinandersetzen (z.B. das Buch „Und jetzt Du. Rassismuskritisch leben“ von Tupoka Ogette lesen)
In viele verschiedene Länder reisen (und dabei 5. nicht vergessen)
Bücher lesen, Filme ansehen, Podcasts hören, die unterschiedliche Perspektiven wiedergeben (z.B. den Podcast „Halbe Kartoffl“, in dem Deutsche, die nicht deutsche Wurzeln haben, über ihre Erfahrungen sprechen)
Sich nicht nur über deutsche Medien über das Weltgeschehen informieren (z.B. den Newsletter „What happened last week“ von Journalistin und Politikwissenschaftlerin Sham Jaff abonnieren, in dem sie Nachrichten aus aller Welt wöchentlich sammelt)
Sprachen lernen, die nicht zu den sogenannten Prestige-Sprachen gehören, aber von vielen Menschen in Deutschland gesprochen werden (z.B. Türkisch und Arabisch)
Das Gedankenspiel von Sham Jaff anwenden; sich fragen, was fehlt, wenn man Nachrichten liest. Häufig gibt es Perspektiven, die außer Acht gelassen werden (z.B. bei der Berichterstattung zu Flucht und Migration).
– über Ergänzungen freue ich mich wie immer sehr: Link zur Umfrage
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Danke für deinen Text und die Denkanstöße! Ich mochte sehr den Satz, der Französisch als Sprache der Liebe in die Schranken weist. Warum sollte es auch ausgerechnet eine Sprache sein, die vielen in Deutschland neben Englisch wahrscheinlich am nächsten ist? Und in der gefühlt die Hälfte aller Buchstaben nicht gesprochen werden.😅