Wir brauchen mehr Wellness für alle!
Etaja über ihre Kunst als visueller Widerstand gegen rechts
In einem Café in Hannover sah ich zum ersten Mal Bilder von Etaja. Über dem Tisch vor mir hingen zwei Kunstdrucke von ihr in Pastellfarben. In einer Kaffeekanne schweben, wie ich später erfahre, sogenannte Ettas mit Punkfrisur. Um sie herum steht in fetter Schrift „May your coffee kick in before reality does“.
Etaja arbeitet seit neun Jahren freiberuflich als Künstlerin. Sie illustriert, malt und ist als Streetart-Künstlerin tätig. Ihr Ziel: Visueller Widerstand gegen rechts! Sie möchte mit ihrer Kunst Inhalte transportieren, die ihr wichtig sind. Denn alles ist politisch.
„Ich bin geprägt von der Gesellschaft und kommuniziere mit ihr.“
Wie können wir uns im Nichtstun üben? Was bedeutet Feminismus und wie können wir uns im Patriarchat gegenseitig unterstützen? Im Interview verrät Etaja, wie sie mit Leistungsdruck umgeht und was für sie eine gerechte Gesellschaft ausmacht.
Wie bist du auf den Namen Etaja gekommen? Ich hatte mir einen Künstlerinnen-Namen gewünscht, der aus einem Wort besteht, das es noch nicht gibt. Ich habe immer mal wieder den Namen gewechselt. Aber irgendwann war der Name Etaja so bekannt, dass ich ihn beibehalten habe.
Ich verbinde deine Kunst mit den markanten Figuren, die in deinen Bildern in verschiedenen Posen und Formen vorkommen. Wen oder was verkörpern sie? Die Figuren, die ich Ettas nenne, habe ich vor etwa fünf Jahren ins Leben gerufen. Ich wollte einen Charakter erschaffen, der Sachen erlebt. Ich hatte das Gefühl, dass ich dadurch besser Botschaften vermitteln kann. Früher waren sie sehr zart und wabbelig. Sie hatten immer ganz dünne Ärmchen und einen androgynen Charakter. Mittlerweile sind sie größer geworden, haben runde Formen und muskuläre Arme. Ich versuche, mit weiblichen und männlichen Attributen zu spielen und diese ins Lächerliche zu ziehen, um binäres Denken aufzubrechen. Mir ist dabei wichtig, dass sich die Figuren transformieren und neu entdecken können. Ich bin gespannt, wie sie in fünf Jahren aussehen werden.
Welche Herausforderungen haben dich bisher als Künstlerin begegnet? Zusammenfassend kann ich sagen; das Patriarchat, Kapitalismus und Sexismus. Das merke ich beispielsweise, wenn ich aus Geldnot auf Instagram viel mehr aktiv sein muss, als ich eigentlich sein möchte, um Sichtbarkeit zu generieren. Als Streetart-Künstlerin erfahre ich immer wieder Belästigungen, wenn ich alleine an der Wand stehe. Fast ausschließlich Männer stören mich bei der Arbeit und nehmen mich nicht als Frau ernst. In meiner ganzen künstlerischen Laufbahn haben mich nur zwei FLINTA*s an der Wand unterbrochen.
Wie gehst du damit um? Wenn ich an einer öffentlichen Wand male, bitte ich meine Auftraggeber*innen um einen Gerüstzaun, damit ich einen eigenen Schutzraum habe. Dadurch können mir Personen nicht zu nahe kommen. Zwischen uns sind noch ein paar Meter Abstand. Ich habe zudem angefangen, Schilder an die Bauzäune zu hängen. Dort teile ich mit, dass ich am Arbeiten und bei Fragen per Mail erreichbar bin. Diese Schilder übersehen jedoch viele oder ignorieren sie. Wenn ich in der Öffentlichkeit arbeite, nehmen sie mich als ansprechbar und verfügbar wahr.
Du beschreibst deine Kunst als politisch. Was möchtest du mit ihr vermitteln? Ich vertrete die Haltung, dass alles politisch ist. Ich bin geprägt von der Gesellschaft und kommuniziere mit ihr. Ich möchte einen Beitrag zum Feminismus leisten, indem ich Menschen mit meiner Kunst abhole und inspiriere. Meine Ettas sollen Menschen Kraft und Mut geben und empowern. Ich möchte Menschen motivieren, aufzustehen, sich mit anderen Menschen zusammenzuschließen und sich gegen das Patriarchat zu wehren.
Kunst kann also zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen? Ja, das denke ich. Kunst fühlt sich zwar für viele indirekt an, sie kann uns jedoch motivieren, ins Handeln zu kommen. Indem Kunst Missstände sichtbar macht, eröffnet sie Denkräume und inspiriert. Wenn man Kunst selbst produziert, aber auch konsumiert, kann sie außerdem unglaublich heilsam sein.
Was bedeutet für dich Feminismus? Zunächst einmal die Anerkennung von Queerness. Für mich bedeutet Feminismus, dass man Unterschiede feiert und binäres Denken ablegt. Dazu gehört, solidarisch miteinander zu sein. Nicht alle haben die gleichen Ressourcen. Feminismus sollte intersektional verstanden werden. People of Color sind von unterschiedlichen Diskriminierungsformen betroffen. Ich würde mir wünschen, dass Diversität akzeptiert und gefeiert wird.
Kapitalismus geht mit Sexismus und Rassismus einher. Deshalb ist Feminismus für mich auch antikapitalistisch, also indem man beispielsweise überlegt, wie man kapitalistisches Denken und Handeln im Alltag überwinden kann.
Unter FLINTA*s wünsche ich mir, dass wir mehr miteinander statt gegeneinander leben; dass wir unser eigenes Verhalten reflektieren und kein Mackergehabe reproduzieren. Das Ziel sollte sein, dass es gar keine Chefs mehr gibt.
Als abschließender Gedanke möchte ich hinzufügen, dass es weltweit unterschiedliche Feminismen gibt. Es gibt nicht den einen Feminismus. Definitionen von Feminismus sind zeit- und ortsbedingt.
Was können wir für eine gerechte Gesellschaft beitragen? Dass wir nicht mehr so stark zwischen leistungsstark und leistungsschwach werten. Wir leben in einer schnelllebigen Welt, in der Faulheit negativ konnotiert ist. Um sich dem Leistungsdruck zu entziehen, kann es helfen, sich im Alltag zu erlauben, nichts Produktives zu tun. Vor zwei Jahren habe ich mir aus einer Protesthaltung heraus eine E-Gitarre gekauft. Ich spiele, weil es mir guttut. Einen weiteren Nutzen ziehe ich daraus nicht. Es ist okay, wenn man sich mal rausnimmt oder unproduktiv ist.
Wir alle sind in diesem fordernden System aufgewachsen und geprägt. Deshalb finde ich es hilfreich, sich zu hinterfragen, warum man auf eine bestimmte Art und Weise lebt. Beispielsweise: Was ist meine Definition von Glück? Sind das meine Vorstellungen oder die der Werbung und Medien? Muss ich dieses Auto haben? Muss ich unbedingt eine Partnerin finden? Dabei sollte man respektieren, dass jede Person ihr eigenes Glück finden darf. Mehr Wellness für alle sozusagen.
Was sind deine nächsten Projekte? Ich kann nicht so viel verraten. Es stehen ein paar Festival-Aktionen und Kollaborationen an. Ich werde neue Bilder vorstellen und ansonsten bin ich gerade auf der Suche nach einer neuen Ausstellungsmöglichkeit.
Etaja, vielen Dank für deine Zeit. Ich habe mich sehr gefreut, dich kennenzulernen!
Möchtest du mehr über Etaja erfahren? Dann folge ihr auf Instagram. In ihrem Shop findest du Kunstdrucke und Einzelwerke. Viel Spaß beim Stöbern!
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Was fur ein cooles interview
Liebe Caro,
Ein schönes Interview!! Kluge Perspektiven 💜