Schwarze, Indigene Menschen und People of Color (BIPoC) sind in Medien wie Büchern und Werbung unterrepräsentiert. Anna, die deutsch-nigerianische Wurzeln hat, möchte das als Illustratorin ändern. Sie gründete 2020 das NOLEMA STUDIO. Um auch dark-skinned Personen vielfältig darzustellen, hat sie ihren Stil angepasst. Anna arbeitet in Wien.
Für was steht NOLEMA STUDIO? NOLEMA STUDIO ist ein Ort, an dem Diversität und Schwarze Kultur gefeiert werden. Es ist aber nicht auf bestimmte Produkte festgelegt. NOLEMA STUDIO lädt dazu ein, mit Leichtigkeit zu experimentieren. Zunächst stellte ich Headwraps her. Im Prozess kamen dann Illustrationen dazu.
Wie kamst du auf den Namen NOLEMA? Mein Opa war der Mensch in meinem Leben, der mir alles zutraute. Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich nicht den Schritt in die Selbstständigkeit gegangen. Nach seinem Tod hinterließ er mir Geld, das ich für mein Unternehmen nutzen konnte. Seine Unterstützung war entscheidend für mein Vorhaben. Mir war sofort klar, dass der Name des Studios mit ihm verbunden sein muss.
Ich hatte mich erst für den Namen "Hayven" entschieden, den ich aber aus juristischen Gründen aufgeben musste. Da mein Opa Jazz liebte, kam ich auf "NOLA", ein anderer Ausdruck für New Orleans, die Stadt, die als Geburtsort des Jazz gilt. Eine weitere Person, die mich sehr inspirierte, war Mae Carol Jemison. Sie war die erste Schwarze Frau im Weltall. Ihre Geschichte hat mich sehr bewegt. Da meine Arbeit Schwarze Kultur hervorhebt, wollte ich auch ihren Namen verwenden. Ich probierte verschiedenste Kombinationen aus, bis ich schließlich auf den Namen NOLEMA kam.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Ich zeichne viel mit Tiefen, Schattierungen und zusätzlichen Strukturen. Mein erster Print, auf dem ich eine Gruppe von People of Color und Schwarzen Personen zeichnete, zeigte mir, dass ich meinen Stil verändern musste. Eine Frau hatte ihre Augen geschlossen. Bei einem Testdruck stellte ich fest, dass die Konturen ihres Gesichts kaum zu sehen waren – im Gegensatz zur digitalen Darstellung. Ich hätte sie von der Hautfarbe heller machen müssen, damit man sie erkennen konnte.
Nach einem langen Gespräch mit einer Freundin, die dark-skinned ist, wurde mir das Ausmaß des Problems bewusst. Sie erzählte mir, dass sie sich oft von Organisationen in Deutschland, auch in großen Städten wie Berlin oder München, nicht repräsentiert fühlt.
Das Gespräch verdeutlichte mir, dass ich eine Lösung finden musste. Und so kam es dazu, dass ich meinen Stil weiterentwickelte. Ich fand Wege, wie ich alle Hauttöne realistisch und wertschätzend abbilden kann.
Worauf achtest du bei der Umsetzung deiner Illustrationen? Ich möchte ein respektvolles und inklusiveres Bild von Menschen zeichnen. Dazu versuche ich, die Emotionen und Gefühlswelten von marginalisierten Gruppen authentisch darzustellen und für alle sichtbar zu machen. Ich zeichne nie so, dass ich Menschen belehre. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieses Vorgehen nicht hilfreich ist, um Menschen zu erreichen.
Was sind deine Lieblingsaufträge? Ich liebe es, mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die meine Werte teilen: die für mehr Diversität und Inklusion stehen, sich für Gleichberechtigung einsetzen und gegen Rassismus vorgehen.
Letztes Jahr hatte ich die Freude mit dem Goethe-Institut in Frankreich zusammenzuarbeiten. Für die UNESCO-Zeitschrift "Freundin" habe ich auch illustriert. Einer meiner Lieblingskund*innen ist Afrolocke, eine Firma für Naturkosmetik. Auch mit dem postkolonialen Online-Magazin Poco.lit. arbeite ich sehr gerne zusammen.

Die Arbeit im Editorial-Bereich begeistert mich besonders, weil ich mit meinen Illustrationen Texten, die sich meistens einem politischen Thema widmen, mehr Ausdruck verleihen kann. Menschen, die auf mich zukommen, wünschen sich eine sensible Herangehensweise. Dadurch entdecke auch ich immer wieder neue Inhalte. Zum Beispiel lese ich sehr gerne die Essays von Poco.lit.. Ich finde es schön, zu wissen, dass meine Arbeit aktivistisch ist und sie einen guten Zweck hat.
Gibt es Personen, die dich inspirieren? Bei dieser Frage denke ich sofort an meine Oma. Sie hatte einen Sinn für Ästhetik, den ich immer sehr bewunderte – sei es in der Art, wie sie lebte oder sich kleidete. Wenn ich bei ihr war, zeigte sie mir Outfits, die sie zu besonderen Anlässen trug. Ihr Auftreten hat meine Arbeit sehr geprägt: Farbe und Ästhetik spielen eine zentrale Rolle in meinen Illustrationen, die ich bewusst mit politischen Themen verbinde. Ästhetik kann ein Türöffner sein, Inhalte zugänglicher zu machen.
Ich bewundere außerdem die Arbeit der Illustratorin Abbey Lossing. Sie schafft es, dieses warme menschliche Gefühl zu vermitteln. Wenn man abends in Wien spazieren geht, in beleuchtete Wohnungen blickt und sich vorstellt, was die Menschen gerade tun. Einmal sah ich jemanden am Fenster, der vor seinem Bücherregal Geige spielte. Diese alltäglichen aber magischen Momente kann sie in ihrer Arbeit einfangen.
Wie siehst du die Zukunft für NOLEMA STUDIO? Ich möchte weiterhin Wege finden, wichtige gesellschaftliche Themen zu vermitteln und dabei mit anderen zusammenzuarbeiten. Ich denke darüber nach, kleinere Produkte wie Deko-Figuren, Schmuck und Anhänger zu entwickeln, die auf schöne und hochwertige Weise die Identität von People of Color und Schwarzen FLINTA*-Personen nach außen tragen. Illustration bleibt aber weiterhin ein zentraler Bestandteil von NOLEMA STUDIO.
Du beschreibst, dass du mit deiner Arbeit einen Beitrag zu einer gerechteren Gesellschaft leisten möchtest. Was verstehst du unter einer gerechten Gesellschaft und was erwartest du von ihr? Kapitalismus ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt, der Rassismus, Klassismus, Sexismus und Ableismus in sich birgt. Ich würde mir eine Welt wünschen, die sich gegen das Streben nach Wachstum stellt und sich darauf konzentriert, die individuellen Bedürfnisse von Menschen zu erfüllen. Es sollte nicht um die Maximierung von Gewinnen gehen, sondern darum, eine gleichberechtigte Gesellschaft zu schaffen, in der Ressourcen gerecht verteilt sind. Gleichzeitig sollte auf ökologische Nachhaltigkeit geachtet werden, also auch auf den Schutz der Natur.
Hast du Ideen, was wir dazu beitragen könnten? Bildung und Aufklärung von klein an sind entscheidend. Ich finde es großartig, dass ich die Möglichkeit habe, Illustrationen für Kinder zu entwickeln, um frühzeitig Aufklärung zu leisten. Ein weiterer Schritt ist, Missstände sowie die Situation von marginalisierten Gruppen sichtbar zu machen – genau das versuche ich auch mit meinen Illustrationen. Dadurch entsteht die Möglichkeit, Menschen wirklich zu sehen, zu verstehen und Mitgefühl zu entwickeln. Ein weiterer Beitrag kann sein, sich an Initiativen für gesellschaftlichen Wandel zu beteiligen, sich selbst weiterzubilden und dieses Wissen an andere weiterzugeben.
Vielen Dank für das schöne Gespräch, Anna! Ich habe viel mitgenommen.
Du möchtest mehr von Anna und ihrer Arbeit erfahren? Dann folge ihr auf Instagram. In ihrem Shop findest du Kunstdrucke, Postkarten und Headwraps in verschiedenen Farben. Viel Spaß beim Stöbern!
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Was ich mich gerade frage ist, ob wir eventuell parallel auch neue Gruppen innerhalb der Gesellschaft marginalisieren? Ich denke da vor allem an ältere Menschen, kranke, Armutsbetroffene. Die Ästethik spricht mich an. So liebevoll! Ich werde ihr auf IG folgen.