Über Selbstzweifel und einen Pinguin, der mich zum Lächeln brachte
Für alle, die gerade eine Umarmung brauchen
Als ich aus Kairo zurückkam und endlich meinen Masterabschluss hatte, war ich sehr aufgeregt. Endlich, dachte ich, könnte ich loslegen, schreiben, Kontakte knüpfen und mich beruflich verwirklichen. Neben meinem Studium hatte ich immer gearbeitet. Mein Lebenslauf war gefüllt und ich war stolz auf mich.


Nun sitze ich wieder an einem “Motivationsschreiben” und bin mir sicher, dass ich auch diese Stelle nicht bekommen werde. Es ist der sechste Monat, in dem ich arbeitslos bin. Ich frage ChatGPT nach meiner Motivation: Warum bin ich die Richtige für die Stelle? Was unterscheidet mich von anderen? Nichts, denke ich. Ah doch, meine Angst.
Eine Person begrüßt mich im Treppenhaus und begleitet mich in den Besprechungsraum. Mir wird schlecht. Etwas sinkt schwer in meinen Brustkorb. Zitternd stelle ich meinen Laptop auf den Tisch. Noch gestern konnte ich meine Präsentation souverän einer Freundin vorstellen. Jetzt stottere ich, finde die letzten Worte meiner Sätze nicht und komme schließlich mit hochrotem Kopf zum Ende. Ein Fragenkatalog folgt. Bei der dritten Frage bin ich nicht mehr da. Ich sehe, wie sich die Mundwinkel meines Gegenübers bewegen. Ich höre, was er sagt, aber ich verstehe nicht mehr, was. Könnten Sie das noch mal wiederholen, frage ich.
Das Bewerbungsgespräch brach ich daraufhin ab. Im Nachhinein bin ich dankbar und auch stolz, dass ich diese Entscheidung getroffen habe. Ich denke, das ist genau das, was ich aus der Therapie mitnehmen konnte: Die Angst bleibt. Sie ist mal stärker und mal weniger präsent. Aber ich weiß, wie ich mit ihr umgehen kann.
Es gibt keine Chancengleichheit
Auf dem Arbeitsmarkt gewinnen die, die sich durchsetzen können. Wertschätzende Worte gibt es nur in vorgefertigten Textmustern. Arbeitgeber*innen wünschen sich Personen mit hoher Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft, eine Person, die sicher auftritt und auch am Wochenende arbeiten kann. Gleichzeitig werben sie dafür, dass sie familienfreundlich seien, Vielfalt schätzen und Bewerbungen von Menschen mit Behinderung begrüßen.
Schon die Strukturen lassen keine Chancengleichheit zu. Es gibt immer weniger unbefristete Stellen, die Anforderungen steigen, doch das Gehalt bleibt niedrig. Der Arbeitsmarkt ist mit hoch qualifizierten Personen geflutet, da Stellen gestrichen und gekürzt werden. Wie kann ich mit einer Person mithalten, die bereits in der Jugendzeit im Ausland war, mehrere Sprachen fließend spricht, Workshops besucht, um ihre Führungsqualifikation auszubauen, wenn ich erst mal damit beschäftigt bin, zu lernen, mit meiner Angst vor Gruppen zu sprechen?
Ein Pinguin, der mich zum Lächeln brachte
Ich habe immer mein Bestes gegeben und bin sogar mit meiner Angst ins Ausland gegangen. Manchmal kann ich meinen Erfolg sehen, aber es gibt Tage, an denen ich mich wie eine Versagerin fühle.
Zu meinem Geburtstag schenkte mir eine Freundin eine Postkarte mit einem Pinguin und ein Buch dazu. Sie schreibt, dass Pinguine vielleicht an Land unbeholfen wirken, aber im Wasser sind sie gewandt und blitzschnell – ganz in ihrem Element.
Mir tat es einfach gut, verstanden zu werden. Denn genauso fühle ich mich. Unser Leben lang werden wir dazu gedrängt, an uns zu feilen. Wir passen nicht in vorgefertigte Formen. Wir sind dafür viel zu komplex und vielseitig.
Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der jede Person ihre eigenen Stärken finden und in ihrem Element sein kann, die sein darf, ohne zu leisten.
Wart ihr auch mal in einer ähnlichen Situation? Wie seid ihr damit umgegangen? Ich freue mich wie immer über eure Gedanken und Impulse.
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Ich fühle das, hab auf dem zweiten Bildungsweg ein Studium nachgeholt und bin zunächst auf die Erzählung hereingefallen, das ein höherer Bildungsabschluss bzw. ein Studium der Türöffner für bessere Jobs und ein höheres Einkommen ist ... nur um dann unsanft auf den Boden der Realität geholt zu werden. Ich habe bisher nie einen Job in dem Bereich gefunden, für den ich studiert habe, und jedes Bewerbungsgespräch ist für mich noch immer eine Qual, denn ich habe jedes Mal das Gefühl, dass es dabei nicht um mich geht, sondern wie sehr ich mich auf die Stellenbeschreibung hin verbiegen kann. Trotzdem arbeite ich jetzt in einem Job, der mir gefällt, aber der auch unheimlich viel Kraft kostet und mich auslaugt. Ich drücke dir auf jeden Fall die Daumen für deinen Platz in der Arbeitswelt!
Hallo Caro,
Deine Stimme ist erfrischend authentisch, vielen Dank dafür.
Auch dafür, dass Du Deine Ängste so ehrlich und offen teilst.
Denn ich bin überzeugt davon, nur wer sich verletzlich zeigt, hat wirklich etwas zu sagen.
Deshalb kehre ich immer wieder gerne zu Deinem Substack zurück.
Liebe Grüsse!